Montag, 20. Februar 2017

Blondine goes Hollywood

Berlinale, ich komme! Wurde auch Zeit, dass ich endlich in den erlauchten Kreis der wirklich Wichtigen aufgenommen werde... man fragt sich sowieso, wie eine derartige Veranstaltung jemals ohne die Anwesenheit liebreizender, eloquenter, außerordentlich attraktiver und natürlich extremst intelligenter Blondinen... äh... nun ja... habe genau genommen nur einen Termin... welcher sich auch nicht direkt im Zentrum des allgemeinen Trubels befindet... also, ist eigentlich keine Einladung... mehr so... eine Art  Gesprächsidee, quasi... aber davon darf man sich nicht aufhalten lassen... Eigeninitiative ist schließlich entscheidend, bei der Karriereplanung... mein Durchbruch steht kurz bevor, das hab ich im Gefühl...



Mein Handgepäck ist zu schwer... versteh ich nicht... hab doch wirklich nur das Nötigste eingepackt... wer, bitte läuft schon einen ganzen Tag lang mit denselben Schuhen durch Berlin...?! Und ohne meinen eigenen Föhn fliege ich prinzipiell nirgendwohin... wie soll ich denn sonst mein Blondhaar in eine ansprechende und Berlinale-taugliche Form bringen...?! Außerdem habe ich mich dafür bei den Kosmetika stark eingeschränkt – nur vier von diesen durchsichtige Tüten... sozusagen der rudimentäre Grundbedarf... da kann man doch nicht meckern, oder?! Denn man darf eins nicht vergessen – Hugh Jackman befindet sich in Berlin... ich weiß, er ist verheiratet... aber nach 20 Jahren Ehe wird es definitiv langsam Zeit für einen geschmeidigen Blondinenwechsel, oder nicht?! Also bitte, soll ich dem Mann meines Lebens etwa ungeschminkt und mit zerzauster Frisur gegenüber treten...?! Zum Glück hatte die nette Dame am Schalter ein Einsehen... ebenfalls eine Blondine... schätzungsweise engstens mit derartigen Problemen vertraut...



Merkwürdig... kein einziger Journalist am Flughafen bei meiner Ankunft... nun gut, war jetzt auch alles etwas kurzfristig... bin sozusagen inkognito in Berlin... besser so... habe hier schließlich ernsthafte Dinge zu erledigen... lästige Paparazzi stören da nur... ah, die Produzentin hat sich gemeldet... Treffen findet im Café Einstein unter den Linden statt... gleich mal googeln... na bitte - eins der berühmtesten Kaffeehäuser Berlins, Politiker und Medienvertreter sitzen hier gerne bei einem Kaffee... offensichtlich eine total angesagte location... muss mir nochmal die Lippen nachziehen... falls ich fotografiert werden sollte...

Meine Verabredung verspätet sich... macht nichts... dann kann ich in der Zwischenzeit nach Prominenten Ausschau halten... allerdings ziemlich leer hier... 18:00 scheint in Berlin nicht die richtige Uhrzeit zum Ausgehen zu sein... dabei weiß doch jeder, dass der Schlaf vor Mitternacht der beste ist! Verspüre bereits eine leichte Müdigkeit... sehr bequem, diese Sitzbank, übrigens... sollte vielleicht mal ganz kurz die Augen... halt, ist das da vorne nicht Meryl Streep?! Ach nein, nur der Kellner... schon wieder... weiß nicht, was es an der Aussage „ich warte noch“ misszuverstehen gibt... werde trotzdem ein Glas Wasser bei ihm bestellen... ein kleines... ohne Kohlensäure... Leitungswasser, wenn möglich... ohne Eis und Zitrone... mit Strohhalm... und vielleicht schon mal ein bisschen Brot... kein Grund, mich deswegen derart anzupflaumen... sehr unfreundlich, diese Berliner Kellner, muss man schon sagen... ah, endlich – eine Nachricht von der Produzentin... sie schafft’s nicht mehr... ach... ja, ähem... gut, dann... gibt es in diesem Café irgendwo einen Hinterausgang...?!

Dienstag, 7. Februar 2017

Loslassen für Profis, Teil II

Erschütternde Nachrichten erreichen mich aus Spanien, wo – wie bereits erwähnt – Sohn Nr. 2 zum Auslandssemester weilt: In ganz Madrid gibt es anscheinend keinerlei vegetarische Wurst- oder Fleischwaren – ist das zu fassen?! Damit bestätigen sich meine übelsten Befürchtungen – das Kind ist in einer kulinarischen Wüstenregion gelandet, und wird höchstwahrscheinlich demnächst einen qualvollen Hungertod erleiden. Ein Schreckensszenario, welches mit Sicherheit jeder liebenden Mutter Albträume beschweren würde. Keine Frage – es besteht akuter Handlungsbedarf... sofortige Erste-Hilfe-Maßnahmen müssen eingeleitet werden! Also in Windeseile Flugticket nach Madrid gebucht, und sich mit einer großen Menge vegetarischer Schnitzel im Gepäck auf den Weg ins Gemüsefeindliche Ausland begeben...



Doch bereits am Flughafen drohen ernsthafte Probleme – ungeachtet meiner wichtigen Rettungsmission will man mir verweigern, die dazu dringend benötigten Utensilien mitzuführen... nein, nicht die vegetarischen Schnitzel... irritierenderweise geben meine ordnungsgemäß in durchsichtige Plastiktüten verpackten Basis-Kosmetika Anlass zur Beanstandung... übrigens ganz entzückend, diese winzig kleinen Fläschchen und Döschen... habe mich gleich mit dem Nötigsten eingedeckt... schließlich muss man auf Reisen stets auf alles gefasst sein... was, wenn mir mitten im spanischen Großstadtdschungel plötzlich ein Fingernageln abbricht... oder meine Frisur im hitzigen Tagesgeschehen plötzlich in sich zusammenfällt?! Nicht auszudenken... wobei die Herrschaften von der Flugsicherheitskontrolle für solche lebensentscheidenden Fragen offenbar kein Verständnis haben... völlig absurd, diese übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen... wie soll man denn in Spanien als Blondine korrekt auftreten, wenn einem dabei nur eine winzige Menge Renovierungsbedarf zur Verfügung steht?! Leider erweisen sich die Sicherheitsleute als immun gegen jegliche vernünftige Argumentation... unglaublich, was für Diletanten am Flughafen tätig sind... werde auf die Herrschaften verweisen, wenn ich bei Ankunft in Madrid wegen ungebührlicher Blässe und fehlendem Lipgloss verhaftet werde...



Was zum Glück nicht geschieht – offenbar sind die Gesichtskontrollen am Madrider Flughafen nicht ganz so streng, wie gedacht. Allerdings ist auch weit und breit kein freudestrahlender Sohn mit Willkommensbanner und gigantischem Blumenstrauß in Sicht. Merkwürdig... nicht, dass der Nahrungsmangel das arme Kind bereits derart geschwächt hat, dass es unterwegs ohnmächtig geworden ist... oder womöglich aufgrund seiner labilen Verfassung ein Opfer der hier bekanntermaßen an jeder Ecke lauernden Verbrecher wurde... Am Besten, ich informiere umgehend einen der Polizeibeamten, die gerade... ah, ein Anruf des Sohnes... Gott sei Dank... er ist noch am Leben... hat allerdings keine Zeit mich am Flughafen abzuholen... ich soll einfach die U-Bahn nehmen... würde nur eine halbe Stunde dauern... ach... äh... nun... eigentlich könnte man durchaus etwas mehr Begeisterung erwarten, wenn die heißgeliebte Mutter sich gegen alle Widerstände auf den beschwerlichen und kräftezehrenden Weg ins weit entfernte Spanien begibt... aber Hauptsache, dem Kind geht es gut, nicht wahr...?!